Afrika-Projekt und Kirgistan-Projekt
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Seit Studentenzeiten hat es mich in bedrohte und arme Regionen unserer Welt gezogen (Bolivien, Sudan, Malaysia, Indien, Libanon, Uganda, u.a.). Die Arbeit dort in Flüchtlingslagern, Krankenhäusern, Waisenhäusern, Erste-Hilfe-Stationen, Sterbeklinik hat mir viel bedeutet.
Seit 2019 arbeiten wir an unserem Traumatherapie-Projekt in West-Afrika.
Im Oktober 2020 unterstützten uns trotz aller Widrigkeiten (Corona-Pandemie) der deutsche Botschafter in Sierra Leone, das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, unser Traumatherapie-Training in der Hauptstadt Freetown durchzuführen. Die lokale Stiftung „We Yone Child Foundation“ (WYCF) kümmert sich um Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die Traumata erlitten haben. Ein Schwerpunkt sind Mädchen, teils schwanger oder schon Mütter, die auf der Straße gelebt haben.
Lehrer, Sozialarbeiter und Streetworker, die zwei Schulen in den Slums von Freetown nach dem grausigen Bürgerkrieg und der Ebola-Epidemie aufgebaut haben, wurden von uns in traumatherapeutischen Ansätzen fortgebildet. Dieses ehrenamtliche Projekt wird über mehrere Jahren fortgesetzt werden.
2021 führen wir online Supervision und Fortbildung im Rahmen des Mentoring-Programms durch.
Informationen und Bilder finden Sie im Einsatzbericht von November 2020.
Einsatzbericht Traumatherapie Training Freetown 0ktober 2020
Zum Kirgistan-Projekt 2024 siehe auch unsere Webseite www.traumatherapie-institut-berlin.de
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Unser Auftraggeber ist der 2016 gegründete gemeinnützige Verein Uplift (Aufwind) in Bischkek/Kirgisistan.
Kontakt in Berlin: Maren Ernst, Gesamtleitung – Konzeption und Vorstand www.uplift-aufwind.org/de
Der Verein hat 45 Mitglieder vor Ort, arbeitet in vier staatlichen Heimen und unterstützt ungefähr 350 Kinder und 130 Familien mit Kindern mit speziellen Bedürfnissen. In Kirgisistan mit seinen ca. sechs Millionen Einwohnern gibt es 20.000 Waisenkinder, die in Heimen leben.
Uplift arbeitet mit Müttern und Familien, die Kinder mit Behinderungen haben, die unter schwierigen Verhältnissen in ländlichen Gegenden leben. Der Bedarf an materieller Unterstützung und therapeutischer Hilfe für die Kinder ist groß. Alle Familienmitglieder haben traumatische Situationen erlebt und/oder leben ständig in einer solchen. Die Heimkinder leben isoliert von der Gesellschaft und leiden an mangelndem körperlichem und emotionalem Kontakt. Ansprache, emotionale und körperliche Zuwendung für die verlassenen Babys und Kleinkinder sind das Kernprogramm von Uplift-Aufwind, weshalb sogenannte Uplift-Mütter (Uplift Family Assistants) ausgebildet werden. Diese Frauen sind fast alle Mütter von drei bis fünf Kindern, haben oft selbst Kinder mit speziellen Bedürfnissen und noch ein Adoptivkind. Sie gehen regelmäßig in die Heime und geben systematisch und zuverlässig Zuwendung, reden und spielen mit den Kindern, geben Massagen und mobilisieren mit Bewegungstherapie. Die Kinder blühen auf und können oft in Familien vermittelt werden.
Es gibt sehr viele Kinder mit speziellen Bedürfnissen in Kirgisistan und viele alleinerziehende Mütter. Scham und Panik, wenn ein Kind nicht ganz „normal“ zur Welt kommt, sind verbreitet. Adoptionsfreigaben aus kulturellen und ökonomischen Gründen zu verhindern und in finanziellen Notlagen medizinische Maßnahmen zu ermöglichen gehören ebenso zum Spektrum der Uplift-Arbeit.
In den Uplift-Zentren in Bischkek, Tokmok und Belovodsk gibt es neben der aufsuchenden Hilfe (early interventions) umfangreiche Selbsthilfeprogramme mit Sharing-Zirkeln, medizinisch-therapeutischer Beratung und Hilfestellung bei der Selbstversorgung (Nutztiere, Gewächshäuser, Nähmaschinen und Produktionen mit diesen) sowie Schulungen und Lerngruppen.
Unser Auftrag war, im Rahmen der Mitarbeiter-Weiterqualifizierung psychologische Unterstützung für die Arbeit mit traumatisierten Familien, insbesondere mit den Müttern, zu geben. Traumaspezifische Trainingsmaßnahmen insbesondere im Kontext der Rehabilitationsprozesse waren erwünscht.
Die Teilnehmerinnen waren sehr offen und aufgeschlossen für unsere Darlegungen, Konzepte und praktischen Übungen. Auch die Freundlichkeit, Mitarbeit und Begeisterungsfähigkeit waren außergewöhnlich. Die beiden jeweils viertägigen Workshops (Uplift Tokmok 14 Mitarbeiterinnen, Uplift Belovodsk 17 Mitarbeiterinnen) halfen, eine „psychologische Kultur“ einzurichten.
Wir
- zeigten Videos zu Instinkt-Reflexen in der Tierwelt
- vermittelten theoretische Konzepte zum Trauma-Begriff (posttraumatische Belastungsstörung und komplexe posttraumatische Belastungsstörung)
- besprachen Stress-Theorien und neurowissenschaftliche Hintergründe, die wir niedrigschwellig, aber dennoch tiefgreifend vermitteln konnten
- sammelten via Brainstorming traumapsychologische Symptomkomplexe
Vor allem die praktischen Übungen dazu waren hilfreich. Diese konnten wir aus den aktuellen Problemen heraus anwenden, und können die Mitarbeiterinnen nach erfolgreicher Anwendung mit sich selber relativ leicht an die Klientinnen weitergeben:
- Trigger im Alltag der eigenen Familien und in der Arbeit erkennen lernen
- Bestehende und mögliche Ressourcen/Kraftquellen benennen
- Kommunikationsübungen
- Stress-Abbau-Methoden
- Atembasierte Arbeit zur Selbstregulation
- Selbstberuhigungstechniken mit meditativem Hintergrund
- Stopp-Techniken in überwältigenden Situationen, Grenzen setzen
Im Rahmen des Lernprozesses nahmen wir theoretisch und praktisch weitere wichtige Themen durch, die zur Erweiterung des Umgangs mit Trauma-Folgestörungen beitragen:
- Körperwahrnehmung und Körpersprache
- Scham, Schuld, Demütigung und Würdigung überlebenswichtiger Reaktionen
- Mann-Frau-Dynamiken: Kommunikation, Trennung, Alleinerziehung, Alkoholismus, patriarchale Strukturen (hier war besonders hilfreich unsere Zusammenarbeit als männlich/weibliches Dozentenpaar)
Das gemeinsame Lachen und Spaß haben sowie das Tanzen mit den Seminar-Frauen waren beeindruckend. Berührend waren auch die nonverbalen Dialoge und die herzvollen Abschiedsgeschenke mit dem Video aus den Gruppenaktivitäten.
In den Abschlussgesprächen wurde klar, dass die Teilnehmerinnen viele Informationen über Traumafolgestörungen und den Umgang mit diesen aufnehmen und die entsprechenden Methoden anwenden konnten. Die erlernten Bewältigungs-Strategien betreffs Stress und Ängsten/Depressionen im Alltag funktionierten für viele Teilnehmerinnen gut. Die Kinder und das weitere Umfeld berichteten über positiv verändertes Verhalten der Teilnehmerinnen. Sie gaben sich in den anschließenden Wochen selbst mehr Raum und waren untereinander besser in Kontakt.
Wir betreuen das Projekt weiterhin mittels online Supervisionen.
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